R101 – 01. Mai oder ‘Home is where them Fuckers ain’t’

Am 01. Mai letzten Jahres war ich im Zelltief nach der zweiten DHAP-Chemo. Tod auf Abruf sozusagen. Für ein paar Tage, bis mein Immunsystem sich wieder vom Platin berappelte, konnte nun der kleinste Keim zu größten Komplikationen führen.

Ich durfte das Zimmer nur desinfiziert, behandschuht, beatemschutzt und mit einem Kittel verlassen – die Station selbst überhaupt nicht.

Meine Halbstundenmärsche, immer herum im Kreise durch die Krebsstation, ließ ich mir trotzdem nicht nehmen.

Nur zweimal bremste mich dabei mein Nasenbluten ein wenig aus. Mein Atemschutz verhinderte entsprechende Horrorszenen auf dem Flur. Blut auf den Gängen wird nicht so gern gesehen.

Wenigstens bekam ich dann die notwendige Thrombozyten-Infusion, die Blutung zu stoppen, ähnliches im Hirn zu verhindern und mich so vor dem Schlaganfall zu bewahren. Und hopp-hopp ins Bett musste ich wieder. Ruhig liegen, nicht anstrengen, nicht pressen auf der Toilette. Sonst platzt das Köpfchen.

Nun, am Tag der Arbeit macht man sich da locker. Liegt, wie seit Monaten inzwischen, in seinem Bette und starrt durch die Decke in seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wartet ein bißchen auf Besuch und freut sich, dass er noch nicht da ist.

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Hatte ich Euch schon erzählt, dass ich meinen Fünfzigsten in den Laken der Krebsstation feierte? Wochen zuvor.

Vor Monaten schon hatte man wohl eine Überraschungsparty zu planen begonnen, dann wieder aufgegeben, als man sah, dass meine karzinogene Überraschungsshow nicht zu toppen war.

Es gab, glaube ich, Möhrenkuchen. Und Geschenke, die alle so viel mit Gesundheit, gesunder Ernährung, gesunder Lebensweise zu tun hatten, dass sie einem das Leben selbst verleiden konnten. Aber der Gedanke zählte und entsprechend freute ich mich, dass ich den Menschen um mich herum so wichtig war.

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Wie in all den Jahren zuvor sind Feiertage und Geburtstage Tage wie alle anderen Tage für mich. So auch der heutige 1. Mai.

Vielleicht aber freue ich mich heute ein bißchen mehr als sonst, dass ich diesen ersten Maitag wieder auf meiner Terrasse sitze, im Schatten wie verordnet. In meinem Heim, das Grün, das Blau, das Vogelgezwitscher genieße. Mich umblicke und an mir runter und denke, während meine Krebszellen gerade abwesend scheinen: “Home is where them Fuckers ain’t”.