Mein höchstpersönlicher #metoo-Moment

Auch ich saß schon sehr früh Samstagsabends spät auf dem Schoße meines Opas. Wir schauten ‘Der Kommissar’ mit Erik Ode und rauchten eine Zigarre oder ein paar Zigaretten. Vielleicht habe ich daher später nie mehr geraucht.

Am Tage vor meiner Einschulung versprach ich Opa, dass ich nun mit Daumenlutschen aufhören müsse, denn ich sei jetzt groß. Und tat es.
Vielleicht kann ich daher einfach (konsequent) handeln, statt bloß zu reden.

Irgendwann in dieser Zeit war ich mit meiner Mutter zum Shopping in MG. Ein Mann bot mir Schokolade an, die er jedoch nicht bei sich hätte. Er nahm mich bei der Hand, um mit mir zur Schoki zu gehen.
Meine Mutter stoppte uns schreiend, der Mann meinte, meine Mutter weinte, es sei alles in Ordnung, er habe nur testen wollen, ob ich wirklich mitgehe. Hmmm. Schoki.
Vielleicht habe ich daher bis heute ein Problem mit den Verlockungen der Instant Gratification.

In der Schule wollten immer alle neben mir sitzen. Vielleicht, weil ich der kleinste und schmächtigste war.
In unserer Klasse war ein einziger Ausländer. Albert. Aus einem Land, in dem man zum Frühstück sehr viel Knoblauch aß. Niemand wollte neben Albert sitzen. Ich fand ihn toll. Da alle neben mir sitzen wollten, war alles gut und Albert wie wir alle. Vielleicht ist mir daher ‘das Unbekannte’ das Spannende und nicht das Beängstigende.

Ich hatte nie schwimmen gelernt, weil mein Vater auch nie schwimmen lernte, weil sein Papa mit seinen Hunden mit dem Auto von der Brücke fiel und ertrank.
Eine Logik, die sich mir bis heute nicht erschließt, obwohl die ganze Welt voller Inbrunst so handelt.
Vielleicht ist mir daher so wichtig, dass wir uns entwickeln, unsere Grenzen hinausschieben, über uns selbst hinauswachsen. Damit wir nicht nur überleben, sondern ein gutes, gesundes und glückliches Leben führen können. Vorbild sein können für andere. Als Individuum und Gesellschaft.

Ich wollte später als Erwachsener bloß nie so aussehen wie der Lehrer damals, bei dem wir Schwimmunterricht hatten. Schönheit liegt im Auge des Betrachters.

Irgendwann kamen die Evangelischen zu uns Katholischen an die Schule. In unsere Klassen. Religionskriege gab es dennoch nie. Unsere Freundschaften sind bis heute ungebrochen. Denn jede Göttin und jeder Gott verbindet die Menschen, und trennt sie nicht. Die sind ja nicht blöd. Wir sind die Blöden. Obwohl wir alle ihre Kinder sind. Aber das geht uns ja nicht anders.

Mit 9 oder zwölf lag ich mit Blinddarmdurchbruch im Krankenhaus. Nach der Leben rettenden OP kam ein Pfleger mehr oder weniger jeden Tag zu uns drei Jungs ins Zimmer, nahm meine Bettdecke weg und rief lauthals lachend: Spargeltachzan, Spargeltachzan! (Spargeltarzan, Spargeltarzan!) und verschwand wieder.
Vielleicht sind mir daher bis heute die jeweils Schwächsten unter uns die Schützenswertesten, denn an ihnen vergehen sich alle, mental und materiell. Sie müssen wir stärken. In jeden Moment. Vor allem, wenn gerade keiner guckt.
Oft scheinen mir die vermeintlich Stärksten die wahrhaft Schwächsten.

Später trug ich Jahre einen kleinen, silbernen Judenstern um den Hals, weil mich das Schicksal der Juden so sehr berührt hatte.
Ich selbst wurde sehr früh und dann mein Leben lang bis zu meinem Krebse als Italiener, Spanier, Türke, Franzose gesehen – je nachdem, wo wir gerade waren auf der Welt. Wohl auch der schwarzen Haare wegen, die dann nicht wiederkamen.
Ich war stolz, zu einer ganzen Welt und nicht nur einer einzigen Nation zu gehören.
Vielleicht sind für mich daher einfach alle Menschen gleich.

Wer Menschen liebt, wer Frauen liebt, wer Männer liebt, der tut ihnen nicht weh.

Von 16-18 überlegte ich, wie ich, wie die Menschen, wie wir alle sein und leben müssten, jeder einzelne Mensch und wir alle als Weltgesellschaft, damit es allen, allen Menschen gutginge. …

Stattdessen sind wir heute weiter davon entfernt als damals. Je enger wir beisammen sind, desto weiter entfernen wir uns von einander. Wir stoßen uns ab, statt uns anzuziehen. Vollkommen krank. Das wird unser aller Ende sein.

Dabei wäre es so einfach: Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg’ auch keinem andern zu. #metoo. Punkt.